Die grosse Pharma-Krise.

Schlittern wir jetzt in die Pleite?

Die COVID-19 Pandemie ist vorüber, der Apothekenalltag scheint sich auf Vorkrisenniveau einzupendeln. Neue Servicedienstleistungen gibt es kaum, nachhaltig umsatzsteigernde Errungenschaften für die Apotheker:innenschaft sind somit ausgeblieben. Der politische Rückenwind durch Leistungen der Apotheker:innen während der Pandemie ist abgeflaut, die Chance auf Zugeständnisse offenbar vertan. Gratis COVID-Tests als Gewinnbringer wurden vorerst gestrichen, auch die Nachfrage ist zuletzt gesunken. Dafür stehen wir vor neuen, beispiellosen Problemen. Hier bahnt sich eine neue, zumindest für Apotheker:innen unangehme Krise an:

Personalmangel, Lieferengpässe, ein neues – zugegeben denkwürdiges – Preisband, steigende Betriebskosten, Monsterrabatte bei Internet-Apotheken und rückläufige Kundenfrequenz sind nur ein paar wenige Schlagworte, die uns heimischen Apotheker:innen zurzeit wie ein kalter Schauer über den Rücken laufen, und nach einer Phase der Hochkonjunktur wie Bremsblockaden auf die unermüdlich laufenden Räder der Österreichischen Gesundheitsversorgung wirken. Diesmal spannt die drohende Krise allerdings einen großen Bogen quer über die gesamte Pharmabranche und alle dazugehörigen Stakeholder. Pharmazeutische Industrie, Großhandel und Apotheken sind einer Meinung: So kann es nicht weitergehen. Ob diese Geschlossenheit schlussendlich auch vor den politischen Entscheidungsträgern demonstriert werden kann bleibt fraglich.

Ein wichtiges Argument aus Sicht der Apotheker:innen könnte dabei die Arbeit der Pharmazeutischen Gehaltskasse darstellen, übernimmt sie doch mit der Kompetenz der Heilmittelabrechnung einen kosten- und personalintensiven Arbeitsschritt für die Sozialversicherungsträger. Außerdem hat sich über die Jahre eine gewisse Abhängigkeit eingestellt, verfügt die Gehaltskasse im Moment als einzige Institutuion über das Know-how der Bewältigung dieses wichtigen Arbeitsschrittes. Immerhin erspart dieses alternativlose System der Heilmittelabrechnung dem Österreichischen Gesundheitswesen viel Geld. Geld, das für die bestmögliche Behandlung Österreichischer Patient:innen dringend benötigt wird.

Auch im Ausland ringen Apotheker:innen mit großen Problemen: Unsere Deutschen Kolleg:innen mahnen mittlerweile sogar mittels Protestaktionen und Streik. Dort sieht sich der Berufsstand bereits in seiner Gesamtheit gefährdet. Die Protestaktionen sollen die Bundesregierung unter Druck setzen, bislang blieben sie erfolglos. Man fürchtet eine massive Abwertung, wenn nicht sogar das Aussterben des Apotheker:innenberufs.

Gleichzeitig vermeldet der STADA Health Report 2023 [1] allerdings, dass ein Großteil der Europäischen Bevölkerung durchaus Interesse an einer Erweiterung der Serviceleistungen in Apotheken hat, und sich sogar vorstellen könnte, für fundierte Beratung zu bezahlen. Außerdem konstatiert die Firma STADA in ihrem Bericht großen Aufholbedarf in Europas Präventivmedizin [1]. Das Potenzial ist in dieser Beziehung also bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Einmal großflächig umgesetzt, könnten zukunftsorientierte Pilotprojekte wie die bezahlte Medikationsanalyse in Zukunft nicht nur einen Meilenstein der Österreichischen Gesundheitsvor- und Obsorge darstellen, sondern auch das wirtschaftliche Vorankommen von Apothekenbetrieben absichern: Die COVID-19-Pandemie hat nämlich aufgezeigt, wie lukrativ bezahlte Dienstleistungen für Apothekenbetriebe sein können.

Die Entwicklungen in all diesen Bereichen laufen, in Österreich zumindest, schleppend. Bis zur Stunde gibt es noch keinen Durchbruch bei bezahlten Dienstleistungen, kein Impfen in den Apotheken und keinerlei Beratungshonorar.
Der Arzneimittelumsatz ist nach wie vor der gewinnbestimmende Faktor im Österreichischen Apothekenbetrieb. Dieser wird durch sinkende Spannen bei gleichzeitig steigenden Kosten massiv geschwächt. Es ist also höchste Zeit mit Nachdruck Veränderungen im Österreichischen Apothekenbetrieb vorzunehmen, um auch in Zukunft vor Insolvenzen, wie sie in Deutschlands Apothekenlandschaft bereits an der Tagesordnung stehen, bewahrt zu bleiben.

[1] STADA Health Report 2023. Mangelnde Prävention erschüttert Europas Gesundheit. 19. September 2023, STADA Arzneimittel AG, Bad Vilbel, Bundesrepublik Deutschland

Autor:in

Mag. pharm. Maximilian Müllneritsch

Apotheker

Mag. pharm. Maximilian Müllneritsch ist Apotheker in Villach, Kärnten und ehemaliges Mitglied der Delegiertenversammlung der Österreichischen Apothekerkammer.

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